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Napoleonmuseum zeigt verschollen geglaubte Sammlung
Der französische Kaiser Napoleon III. stand Kriegen nachweislich distanziert gegenüber. Als Technik-Nerd seiner Zeit konstruierte und sammelte er gleichzeitig mit grosser Hingabe Waffen. Noch auf dem schweizerischen Arenenberg im Exil lebend schrieb er als junger Mann mit dem «Handbuch der Artillerie» ein Standardwerk des 19. Jahrhunderts. Diese in Vergessenheit geratene Leidenschaft des Kaisers greift das Napoleonmuseum in seiner neuen Sonderausstellung auf. Im Ausstellungsraum «Cinéma» präsentiert es die interessantesten Stücke aus seiner Sammlung. Sie sind der Öffentlichkeit bisher unbekannt, in französischen Fachkreisen gilt die Waffensammlung des Kaisers sogar als weitgehend verschollen. Die Ausstellung «Aux Armes! Die Waffensammlung des Napoleonmuseums» ist vom 27. April bis 31. Oktober 2022 auf dem Arenenberg zu sehen. www.napoleonmuseum.tg.ch
Neben technischen Finessen faszinierte Napoleon III. vor allem das handwerkliche Können der Büchsenschmiede. Gerne liess er sich prachtvolle Waffen schenken oder gab solche in Auftrag, um sie seinerseits zu verschenken oder neue Techniken zu erproben. Darüber hinaus erwarb er grosse Privatsammlungen.
Entsprechend muss die private Waffensammlung Napoleons III. enorme Ausmasse besessen haben. Sie gilt in der Fachwelt bis auf wenige Stücke als verschollen. Nur im Pariser Louvre werden einige aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit stammende Waffen gezeigt, sonst scheint die Kollektion in alle Winde zerstreut. Ihre Spuren verlieren sich.
Doch das stimmt nicht ganz! Im Depot des Napoleonmuseums auf Arenenberg schlummern gut behütet 92 Waffen aus der kaiserlichen Sammlung. 79 Stück davon kamen durch die Schenkung von Kaiserin Eugénie in den Besitz des Kantons Thurgau.
Diese bisher nur Insidern bekannte und zugängliche Sammlung hat der Schweizer Historiker Jürg A. Meyer mit dem Spezialgebiet «Historische Waffen» in langjähriger Kleinarbeit analysiert und neu inventarisiert. Jetzt, nach Abschluss seiner Arbeit, werden die handwerklich und kunsthandwerklich eindrucksvollsten Stücke der Öffentlichkeit präsentiert.
Gezeigt wird ein Querschnitt der nachvollziehbaren kaiserlichen Sammlungen: 35 sehr unterschiedliche Waffen aus dem 17. bis ins 19. Jahrhundert nebst dazugehörigen Werkzeugen. Luntenbüchsen, Steinschlossgewehre, Hinterlader, Revolver, Säbel, Degen, aber auch eine raffinierte Attentatswaffe, als Spazierstock getarnt. Bei den präsentierten Objekten handelt es sich um Waffen aus europäischer, nordamerikanischer und türkisch-osmanischer Produktion.
Wie die Stücke auf den Arenenberg kamen, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Besucher sprechen schon in den 1830er Jahren davon, eine Kollektion des späteren Kaisers gesehen zu haben. Teile davon sind wohl einfach am Bodensee verblieben und bilden den Grundstock der Arenenberger Sammlung. Dazu zählt vermutlich eine mit Elfenbein-Intarsien geschmückte und mit silbernen Beschlägen versehene Luntenbüchse und ihre Büchsengabel. Beide stammen aus dem 17. Jahrhundert. [Bild N09] Später gefertigte Bestände wie ein Jagdgewehr Napoleons I. aus Silber mit Steinschloss, und mit reichen Verzierungen versehen [Bild N25] oder das prachtvolle Revolvergewehr aus dem Jahr 1860 mit seinen goldenen Einlegearbeiten (eine Luxusausführung für Kaiserin Eugénie) [Bild N10] müssen anschliessend dazu gekommen sein. Exotisch wirken die reich mit Gold, Silber und Einlegearbeiten aus Perlmutt oder Elfenbein versehenen osmanisch-türkischen Waffen. Darunter findet sich z.B. eine Schnappschlossbüchse aus der Werkstatt von "Derwisch Mustafa", der während der Regierungszeit von Sultan Mahmud II. (1808 – 1829) arbeitete [Bild N07] oder eine ebensolche Jagdwaffe aus einer unbekannten osmanischen Manufaktur [Bild N31]. Besonders beeindruckend ist eine osmanische Wallbüchse aus dem 19. Jahrhundert: Sie besteht aus einem achtkantigen Damastlauf mit einem Kupfer und Messing gefütterten Zündstollen, der ein goldenes Dekor aufweist. Im Kammerbereich befinden sich auf den beiden seitlichen Laufflächen zwei Reihen mit je vier Halbmonden und einem sechszackigen Stern; zwischen den ersten drei Halbmonden weitere Sterne. Auf der mittleren Lauffläche eine Zypresse von Stern und Schmiede-Marke überhöht. In der Laufmitte erneut ein kleiner Halbmond mit Stern, im Mündungsbereich ornamentaler Dekor mit zwei Sternen.
Lokalbezug weist ein prachtvoll vergoldeter Löwenkopf-Säbel des Prinzen Eugène de Beauharnais auf, des Erbauers des dem Arenenberg benachbarten Schloss Eugensberg. Der Fürst bekam ihn von Napoleon I., seinem Stiefvater, geschenkt. Oder ein Pistolenkasten mit Zubehör von Büchsenmacher Heinrich Ammann aus Ermatingen. Laut einem beigefügten Kommentar habe der kaiserliche Prinz Loulou, der Sohn Napoleons III., und Herr Sekundarlehrer Engeli in Ermatingen mit dieser Pistole im Pistolenstand zu Ermatingen geschossen.
Bei dem Besuch der Ausstellung kommen Liebhaber feinster Kunstschmiedearbeiten genauso auf ihre Kosten, wie an historischen Waffen Interessierte. Grosse Glasflächen ermöglichen eine Präsentation, die es erlaubt, Verzierungen und technische Raffinesse ganz aus der Nähe zu betrachten. Mittels QR-Codes erhalten Besucherinnen und Besucher darüber hinaus einen direkten Zugriff auf fachspezifische Informationen. Ein Glossar sowie zeitgenössische Konstruktionszeichnungen vermitteln weiteres Hintergrundwissen zur Arenenberger Sammlung, ihrem Inhalt und der Entwicklung von Handfeuerwaffen. Für Überraschung sorgen Redewendungen aus dem französischen und deutschen Sprachgebrauch, die zeigen, wie präsent Waffen und ihre Verwendung im täglichen Leben sind, ohne dass man es sich dessen ausgesprochen bewusst ist.
Wer sich eher spielerisch mit Arenenberg und seiner Verbindung zur Waffengeschichte auseinandersetzen möchte, kann dies auch tun. Mittels einer Computeranimation lässt sich nachvollziehen, wie mühevoll für Prinz Louis Napoléon seine Artillerie-Experimente waren, zu denen auch der berühmt-berüchtigte Kanonenschuss auf die dem Arenenberg gegenüberliegende Insel Reichenau gehört.
Weitere Informationen: Napoleonmuseum Arenenberg Telefon +41 (0)58 345 74 10, napoleonmuseum@tg.ch, www.napoleonmuseum.ch
Eintrittspreise
Für Sonderausstellung im Cinéma und Besuch des Schlosses
Erwachsene: 15 Franken
Kinder und Jugendliche (6 -16 Jahre): 5 Franken
Kinder unter 6 Jahren kostenlos
Familien (2 Erwachsene und 2 Kinder) 32 Franken
Jahreskarte 35 Franken
Mit Schweizer Museumspass oder Raiffeisen Karte (Member Plus): kostenlos
Kontakt
Arenenberg
Napoleonmuseum Arenenberg
CH-8268 Salenstein
www.napoleonmuseum.ch I www.arenenberg.ch
Museum: +41 (0)58 3457410
Hotel: +41 (0)58 345 80 00
Öffnungszeiten
Museum: 18. April bis einschl. September: täglich 10:00 - 17:00 Uhr
Bistro: Täglich von 7:00 - 21:00 Uhr
Der Arenenberg in Kürze:
Spätestens seit 1855 ist das Schlossgut Arenenberg am westlichen Bodensee zu besichtigen. 1906 schenkte es die französische Kaiserin Eugénie dem Kanton Thurgau . Mit der Schenkung wurde die Einrichtung einer landwirtschaftlichen Schule und die Fortführung des napoleonischen Museums vereinbart.
Seither ist der Arenenberg ein Ort, an dem sich auf die Vergangenheit besonnen und zugleich «Zukunft gemacht wird».
Die Berufsfachschule, das Beratungszentrum und die Arenenberger Versuchsbetriebe stehen heute für die kompetente Vermittlung nachhaltiger Landwirtschaft. Zudem ist der Arenenberg inspirierender Lernort für unterschiedlichste Gruppierungen.
Das Napoleonmuseum präsentiert mit den originalen Interieurs seiner ehemaligen kaiserlichen Bewohner und dem grossen Landschaftspark rund ums Schloss einen wichtigen Teil der Arenenberger Geschichte. Das Bistro Louis Napoléon sowie das Hotel Arenenberg sorgen zudem für unvergessliche Genussmomente.
Das Napoleonmuseum Arenenberg in Kürze:
Das seit 1855 zu besichtigende Napoleonmuseum Arenenberg ist das einzige deutschsprachige Museum zur napoleonischen Geschichte. Sein Forschungsgebiet reicht von der französischen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg. Zu diesem Zweck unterhält das Haus wertvolle Sammlungen verschiedener Genres sowie ein umfangreiches Archiv. Seine ca. 25'000 Bände umfassende Forschungsbibliothek wird laufend erweitert. Seit einigen Jahren unterzieht sich das Napoleonmuseum einem Wandel. Zusätzliche Räume des ehemaligen Schlossguts Arenenberg erlauben es, aus dem bestehenden Haus ein modernes Institut zur Erforschung, Bewahrung und Präsentation der napoleonischen Geschichte zu entwickeln. Die Sammlung umfasst weltweit begehrte Ausstellungsstücke.
Mit jährlich rund 30'000 Besuchern zählt das Museum darüber hinaus zu den Anziehungspunkten des Bodenseegebietes. Regelmässige Sonderausstellungen beschäftigen sich mit Facetten der napoleonischen Geschichte am Bodensee. Der umliegende Landschaftspark ist frei zugänglich. In der «Arenenberger Gartenwelt» können Besucher eine Gartenzeitreise en miniature erleben. Der Museumsshop besitzt den Charme einer Boutique und bietet neben Napoleonika auch regional- und landestypische Produkte an.
Aufgrund seiner Lage am internationalen Bodensee und seiner Geschichte versteht sich das Napoleonmuseum Arenenberg als Mittler zwischen den Staaten. Frankreich, die Schweiz, Deutschland, Italien, England, Polen, die USA: Es gibt praktisch kein Land zu dem die Familie Bonaparte von Schloss Arenenberg aus nicht in Verbindung stand. Dieser Tradition folgend unterhält das Napoleonmuseum umfangreiche internationale Kontakte.