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Wir waren auch dabei
Sie sind vergessen: die mehr als 50‘000 aus der Schweiz stammenden Soldaten, die auf deutscher Seite im Ersten Weltkrieg kämpften. Eine schlichte Lücke in der öffentlichen Wahrnehmung und in der Forschung. Dominik Gügel, Direktor des Napoleonmuseums Thurgau und Dozent für Militärgeschichte an der Offizierschule in Dresden, stiess während seiner Arbeit über das Konstanzer Militär darauf. Das Thema liess ihn nicht mehr los.
Anlässlich des Kriegsendes vor 100 Jahren schliesst das Napoleonmuseum diese Lücke nun mit einer Ausstellung auf Arenenberg und einer reich bebilderten Begleitpublikation. Die Ausstellung «Wir waren auch dabei – Männer aus der Schweiz und das Konstanzer Regiment Nr. 114 im Krieg 1914 – 1918» greift dabei auf mehrere tausend Fotos, unbekannte Feldpost, noch nie gezeigte Erinnerungsstücke, Videoeinspielungen und Hörstationen zurück. Am Beispiel des Konstanzer Regiments widmet sich die Sonderausstellung auf dem Arenenberg dem Frontleben und fokussiert dabei besonders auf Soldaten aus der Schweiz. Die Ausstellung läuft vom 1. Mai bis zum 11. November 2018.
Das Konstanzer Regiment als Beispiel
Das Konstanzer Militär unterhielt traditionell enge Verbindungen in den Schweizer Kanton Thurgau und andere Kantone. Für Konstanzer Offiziere galt traditionell das Privileg, uniformiert Schweizer Gebiet betreten zu dürfen. Von dort stammende Soldaten waren nichts Ungewöhnliches. Berühmtester Vertreter dieses Personenkreises dürfte sehr früh Prinz Louis Napoléon von Schloss Arenenberg sein, der seine ersten militärischen Erfahrungen in Konstanz machte.
Seit 1868 lag das 6. Badische Infanterie Regiment Kaiser Friedrich III. Nr. 114 in Konstanz. Die Ausstellung zeichnet die Geschichte dieses Verbands und seiner Soldaten während des Ersten Weltkrieges nach. Die aus der Schweiz stammenden Soldaten werden dabei besonders in den Blick genommen.
Warum für Deutschland dienen?
Denn viele der Soldaten waren in der Schweiz geborene und aufgewachsene Auslanddeutsche. Sie sprachen Mundart und hatten dort ihre familiären Verbindungen. So etwa Leo und Jacob Keller aus Winterthur. Die Brüder meldeten sich in den ersten Augusttagen freiwillig. Wenige Wochen später fielen sie kurz hintereinander. Ein Zeuge beschreibt ihre Motivation: «Sie sind gefallen in treuer Pflichterfüllung für das Vaterland, - des Vaters-Land -, das sie nicht gekannt haben, dem sie aber durch Familienbande, Erziehung und heimatliche Überlieferung sich verbunden fühlten.»
Es gibt aber auch die andere Seite. In der Deutschschweiz bestand viel Sympathie für das Deutsche Reich, wie die Begeisterung beim Staatsbesuch Wilhelms II. im Jahr 1912 zeigt. Zehntausende von Soldaten und Zivilisten pilgerten zum Kaisermanöver nach Kirchberg (SG). Abenteuerlust, Traditionspflege des Söldnertums, Flucht vor Strafverfolgung oder zu engen Familienbanden und natürlich wirtschaftliche bzw. finanzielle Gründe motivierten Schweizer für den Eintritt ins Deutsche Heer. Georg Klöckler aus Graubünden meldete sich zusammen mit anderen Schulkameraden bei Kriegsbeginn freiwillig ins Regiment 114 ein. 1915 wurde er verwundet und kam ins Lazarett. Um mehr Lohn zu erhalten, fälschte er sein Soldbuch. So fand er Eingang in die Akten.
43 Jahre Frieden liessen einen Krieg unwahrscheinlich erscheinen. Freiwillige mussten noch mit keinen Repressalien rechnen. Wilhelm II. galt weithin als Friedenskaiser und die Soldaten glaubten seinen Versprechungen, dass sie spätestens an Weihnachten wieder zu Hause wären.
Zwei Männer aus dem Thurgau begleiten den Ausstellungsbesucher
Adolf Merk stammte aus der Kantonshauptstadt Frauenfeld, sein Kamerad Richard Adler aus Kreuzlingen. Beide dienten bei den 114ern. Dabei handelte es sich um keine Einzelfälle. Das Schweizer Militär schätzte am Ende des Krieges, dass mehr als 50‘000 Männer aus der Schweiz zu den deutschen Fahnen eilten. Merk und Adler sind die Begleitfiguren der Ausstellung. Ihre Biografien ziehen sich als roter Faden durch die unterschiedlichen Kapitel und Räume. Die 114er kämpften ausschliesslich an der Westfront: im Elsass und in Lothringen, in französisch- und belgisch Flandern, an der Somme und in der Champagne. Dabei standen sie immer wieder mitten im Brennpunkt des Weltkrieges.
In der Ausstellung wird das Kriegserleben primär auf der deutschen Seite der Front gezeigt - Videoeinspielungen und Hörstationen lassen aber auch die französischen „Poilus“ (Soldaten/Landser) zu Wort kommen. Schonungslos weisen die Ausstellungsmacher auf alle Facetten des Krieges hin. Auch Kriegsverbrechen, Deserteure und das Leben/Leid der Zivilbevölkerung werden nicht verschwiegen. Eine besondere Rolle spielt dabei Emilienne Moreau, die als „Heldin von Loos“ in die französische und englische Geschichtsschreibung einging.
Unbekannte Quellen und Hintergründe
Besonders eindrücklich sind die bisher noch nie ausgewerteten Erinnerungen von Stabsarzt Dr. med. Samuel Moos, der als Deutscher jüdischen Glaubens den Krieg erlebte und später durch die Nazis aus Konstanz vertrieben wurde. Vizewachtmeister Richard Adler war ebenfalls jüdischen Glaubens, seine Feldpost wurde auch noch nie ausgewertet. Schliesslich die Erinnerungen von Oberleutnant Professor Dr. Karl Gruber, der als Städteplaner in die Architekturgeschichte einging. Der Kreis schliesst sich mit den Memoiren von Unteroffizier Helmut Dufner, der als Hoboist in der Regimentskapelle diente.
Infos: Napoleonmuseum Thurgau, Tel. +41 (0)58 345 74 10, www.napoleonmuseum.ch
Service-Informationen
Napoleonmuseum Thurgau
Schloss und Park Arenenberg
CH-8268 Salenstein
Tel.: +41 (0) 58 3457410
Öffnungszeiten
Montag bis Sonntag 10–17 Uhr
Kassenschluss 16.30 Uhr
Ab 22.Oktober 2018 montags geschlossen.
Sonderausstellung
- Mai bis 11. November 2018: «Wir waren auch dabei» – Männer aus der Schweiz und das Konstanzer Regiment Nr. 114 im Krieg 1914-1918
Öffentliche Führungen durch die Ausstellung mit Museumsdirektor Dominik Gügel:
- Mai, 14. Juni, 12. Juli, 9. August, 13. September, 11. Oktober, 8. November 2018, jeweils um 18.30 Uhr (inklusive Apéro)
Höhepunkte 2018
- Mai – 11. Nov.: Sonderausstellung «Wir waren auch dabei. Männer aus der Schweiz und das Konstanzer Regiment Nr. 114 im Krieg 1914-1918»
- Juni Arenenberger Tag mit Cheese-Festival und Ermatinger Buuremarkt
- Juni Serenadenkonzert der Stiftung Napoleon III. im Schloss
- Sept. Lange Nacht der Bodenseegärten
- Sept. Kaiserlicher Gartentag
- Nov. – 23. Dez. «Noêl, Noêl», Vorweihnachtszeit auf dem Arenenberg
Hintergrundinformationen
Napoleonmuseum Thurgau, Schloss & Park Arenenberg
Schloss und Park Arenenberg mit dem 1906 gegründeten Napoleonmuseum ist das einzige deutschsprachige Museum zur napoleonischen Geschichte. Sein Forschungsgebiet reicht von der französischen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg. Zu diesem Zweck unterhält das Haus wertvolle Sammlungen verschiedener Genres sowie ein umfangreiches Archiv. Seine ca. 25'000 Bände umfassende Forschungsbibliothek wird laufend erweitert. Seit einigen Jahren unterzieht sich das Napoleonmuseum Thurgau einem Wandel. Zusätzliche Räume des ehemaligen Schlossguts Arenenberg erlauben es, aus dem bestehenden Haus ein modernes Institut zur Erforschung, Bewahrung und Präsentation der napoleonischen Geschichte zu entwickeln. Die Sammlung umfasst weltweit begehrte Ausstellungsstücke, wie eine grosse Napoleonschau in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland gezeigt hat.
Mit jährlich rund 30'000 Besuchern zählt das Museum darüber hinaus zu den Anziehungspunkten des Bodenseegebietes. Regelmässige Sonderausstellungen beschäftigen sich mit Facetten der napoleonischen Geschichte am Bodensee. Der umliegende Landschaftspark ist frei zugänglich. In der «Arenenberger Gartenwelt» können Besucher eine Gartenzeitreise en miniature erleben. Der Museumsshop bietet neben Napoleonika auch regional- und landestypische Produkte an. Ein weiterer Besuchermagnet sind die betreuten Kinderprogramme und die Schloss- bzw. Parkführungen.
Aufgrund seiner Lage am internationalen Bodensee und seiner Geschichte versteht sich das Napoleonmuseum Thurgau als Mittler zwischen den Staaten. Frankreich, die Schweiz, Deutschland, Italien, England, Polen, die USA: Es gibt praktisch kein Land zu dem die Familie Bonaparte von Schloss Arenenberg aus nicht in Verbindung stand. Dieser Tradition folgend, unterhält das Napoleonmuseum umfangreiche internationale Kontakte.